Beitrag von Sascha:

Der Tag der Königsetappe. 6:00 Uhr. Kein Wecker klingelt, doch die Gefährten erwachen wie auf ein unhörbares Zeichen. „El Caminho„ von John Kelly erklingt, der heutige musikalische Gruß zu Motivation von Alex:

El camino que anda la gente que no desiste, que no desiste. Der Weg, den Menschen gehen, die nicht aufgeben, die nicht aufgeben.

Konzentriertes Schweigen beim Frühstück. Die Gefährten müssen sich sammeln. Dann geht es los. Am Brunnen vorbei, geht es hinauf. Eine holde Schönheit auf einem Balkon am Wegesrand rezitiert ein Lied:

Auf, auf, ihr Wandersleut, zum Wandern kommt die Zeit! Tut euch nicht lang verweilen, in Gottes Namen reisen! (Hihihihi)
Es muss dieser Text gewesen sein, die Holde hatte ihre Zähne nicht im Mund und war darum nur schwer zu verstehen. Episch.

Tatsächlich hatte die heutige Etappe allerlei Herausforderungen zu bieten, insbesondere den Aufstieg kurz vor Schluss, als Ürzig schon zu sehen war, die Wegführung aber die ÜBERquerung der 158 Meter hohen Hochmoselbrücke vorsah.

Ein solches Unterfangen verlangt der Weggemeinschaft der Gefährten naturgemäß vieles ab. Von daher soll diese Weggemeinschaft heute im Fokus stehen. Was sind die Themen meiner Gefährten? Nun, das Wetter und Fußball.

Ersteres ist ja auf einer Wanderung durchaus von praktischer Relevanz. So verbringen die Gefährten tagtäglich viel Zeit damit, die Erkenntnisse aus den Studien ihrer Wetter-Apps zu vergleichen und zu bestimmen, ob 80% Regenwahrscheinlichkeit mit 0,7 Liter pro Stunde und Quadratmeter nun leichter Nieselregen (weder Regenjacke und – Gott bewahre – keine Regenhose notwendig) oder Wolkenbruch (d.h. Regenvollausrüstung) bedeutet. Ungünstiger Weise haben wohl gestern alle Apps der Gefährten versagt, die trotz des schwarzen Himmels den Platz auf der Terrasse des Restaurants empfahlen. Dass wir in der Unterkunft das Fenster zur Wetterseite sperrangelweit aufgelassen hatten, um unsere Wäsche zu trocknen, fiel uns erst später ein.

Kommen wir zum Fußball. Trotzdem jetzt Sommerferien sind, bin ich bestens in Sporttheorie unterrichtet worden. Es ging um die Fußballbundesliga im Allgemeinen, dieselbige unter Corona-Bedingungen im Speziellen und vor allem (der MSV bekommt den Aufstieg ja nicht so einfach hin) um die Gerechtigkeit der Relegation im Corona-Jahr. Die Lektionen wurden täglich wiederholt. Ich fühle mich nun durchaus im Stande eine Erörterung zum Thema „Relegation 2020 – gerecht oder ungerecht?“ zu schreiben.

Letztlich geht es aber natürlich nicht um das Wetter oder den Fußball. In der Gruppe zu Wandern ist in gewisser Weise neu für mich. Meine ersten Wandererfahrungen habe ich alleine auf dem Jakobsweg gemacht. Da gehörte das – wenigstens zeitweilige – Alleinsein zum Programm und ich habe es genossen und es hat mir gut getan. Da so ziemlich alle alleine unterwegs waren, gab es immer viele Kontakte in den Herbergen und Gesellschaft beim Essen oder abends beim Wein.

Das war letztes Jahr in den Alpen anders. Da war ich auch allein, doch mit Ausnahme von zwei Etappen umfasste das Alleinsein auch das Essen und die Abende. Auch das war in Ordnung und hat mir gefallen, aber ein bisschen mehr Kontakt wäre schon schön gewesen.

Jetzt sind wir zu dritt unterwegs. Das heißt, dass wir mehr oder weniger auch alles zusammen machen. Das ist sehr lustig und macht viel Spaß. Das ganz bei mir Sein fehlt mir aber schon ein Stück. Auch die spirituelle Dimension, die meine Touren bisher hatten, fehlt. Je länger ich darüber nachdenke, desto deutlicher wird mir: Weder lässt sich alles miteinander verknüpfen, noch kann und will ich das eine gegen das andere ausspielen. Alles hat seine Zeit.

Die Gefährten auf dem Moselsteig

Für diese Tour jedenfalls sind Jens und Christian genau die richtigen Gefährten. Und das hier wird sicher nicht unsere letzte gemeinsame Tour sein.

Bild über dem Bett in der Unterkunft in Ürzig