Die letzte Etappe dieses Roadtrips war bei der Planung lange ungeklärt. Es sollte natürlich ein touristisches Highlight sein. Etwas über die Grenzen Deutschlands Bekanntes. Es gab verschiedene mögliche Ziele. Schloss Neuschwanstein war eine Option. München war eine Option. In einer frühen Planungsphase war der Rhein-Fall eine Option. Wir konnten uns aber nicht einigen, so dass wir für die letzte Etappe nichts im Vorfeld gebucht hatten.
Nachdem Deutschland bei der EM ins Viertelfinale eingezogen ist und somit klar war, dass das Spiel am Tag unserer letzten Etappe um 18:00 Uhr stattfinden würde, musste das Ziel der letzten Etappe neu bewertet werden.
Die Möglichkeit Fußball zu gucken und (ohne die Gegebenheiten vor Ort zu kennen) dafür einen Tisch aus der Ferne zu reservieren, hatte -zumindest bei mir- ab sofort eine hohe Priorität. Trotzdem sollte es nach wie vor ein touristisches Highlight sein. Etwas über die Grenzen Deutschlands Bekanntes.
So fällt die Wahl auf Heidelberg. Die malerische Stadt am Neckar beheimatet die älteste Universität im heutigen Deutschland und erfüllt mühelos alle unsere Bedingungen. Da mein Bruder hier promoviert hat, und ich ihn in dieser Zeit mehrfach besucht habe, kenne und schätze ich Heidelberg. Pascal und Olli waren hingegen noch nie hier.
Aufgrund der fast vierstündigen Anfahrt und des frühen Fußball Anstoß-Termins, bleibt allerdings wenig Zeit für die vielen Sehenswürdigkeiten, die Heidelberg zu bieten hat. Es fühlt sich wie auf einer Kreuzfahrt an. Man hat wenig Zeit und muss sich für einige wenige Attraktionen entscheiden. Ich überlasse Pascal und Olli die Entscheidung.
So besuchen wir die traumhaft schöne Altstadt von Heidelberg und belassen es bei einem Blick aus der Ferne auf das Schloss.
Auch um auf den Philosophenweg zu wandern bleibt keine Zeit. Wobei mein Eindruck ist, dass ich das mehr bedauere, als Pascal und Olli.
So besichtigen wir Heidelberg im Kreuzfahrt-Stil, obwohl wir ja eigentlich einen Roadtrip machen. Auch mein eher kleines Hotelzimmer und das noch kleinere Bad, erinnerten an eine Kabine auf einem Kreuzfahrtschiff.
Drei Tage EM Urlaub. Also mit viel Fußball gucken auf der eigenen Couch. Habe ich mit meinem besten Freund Daniel bei der Heim-WM 2006 drei Wochen lang gemacht (da allerdings im Garten) und für gut befunden. Dieses Jahr bei der Heim-EM hat die restliche Urlaubsplanung nur 3 Tage, anstelle von drei Wochen, zugelassen. Aber immerhin.
Dann wird es doch ganz anderes. Es ist Donnerstag, also drei Tage vor EM-Urlaubsbeginn. Ich habe viel zu tun und lasse deshalb auch die Mittagspause ausfallen, die ich in der Regel mit Mirco, meinem Arbeitskollegen und Freund, verbringe. Wir unterhalten uns trotzdem kurz und er eröffnet mir, dass er nächste Woche drei Tage Urlaub genommen hat und ganz kurzfristig Mallorca gebucht hat, um an seinen Geburtstag nicht allein zu Hause zu sein. Da wäre er lieber drei Tage allein auf Mallorca.
Drei Tage. Man kann es sich nicht ausdenken, aber es geht genau um die drei Tage, an denen ich auch Urlaub habe.
Spontaner, als ich eigentlich grundsätzlich bin, buche ich auch drei Tage Mallorca. Einerseits weil ich einen fünfzigsten Geburtstag allein feiern-blöd finde und ich Mirco das gerne ersparen will, andererseits weil es verrückt ist. Spontan und verrückt, dass sind keine Attribute, die man mir zuordnen würde. Verrückt vielleicht schon, aber dann eher im Sinne von „Der hat sie nicht mehr alle,“ und nicht im Sinne von „Was ein Abenteurer.“
So kommt es, dass ich meinen EM-Urlaub auf Mallorca verbringe. Mirco hat einen deutlich früheren Flug gebucht und ist somit schon vor mir auf der Insel und verbringt den Vormittag in Palma und am Strand, bevor er mich am Flughafen mit dem Leihwagen (ein Fiat 500) abholt.
Beim einsteigen fällt mir auf, dass die Gummilippe zwischen Fensterscheibe und Beifahrertür eingeknickt ist. Ich weise Mirco -in Bezug auf potentiellen Ärger mit der Autoverleihfirma- daraufhin. Es ist aber nichts kaputt und nach runter und hoch fahren der Fensterscheibe ist alles wieder an seinem Platz. Damit ist das erledigt-dachte ich zumindest zu dem Zeitpunkt.
Beim Einchecken in Hotel Amoros in Cala Ratjada, fällt Mirco allerdings, dass sein komplettes Bargeld (rund 200 EUR) nicht mehr in seiner Geldbörse ist.
Jetzt bekommt die eingeknickte Gummilippe plötzlich eine andere Bedeutung. Die einzig logische Erklärung für das Nicht-Vorhanden-Sein des Geldes, ist nämlich ein Einbruch in den Leihwagen, während Mirco am Strand war. Zum Glück fehlt außer dem Bargeld nichts anderes.
Nachdem wir diesen Schock halbwegs verdaut haben, gehen wir etwas essen und stoßen um 0:00 Uhr im Bierbrunnen auf seinen Geburtstag an.
Ich lasse es mir natürlich nehmen, den DJ entsprechend zu informieren. Da ich ja weiß, dass Mirco eine namentliche Nennung nicht leiden kann, informiere ich den DJ, dass „Murat“ gleich Geburtstag hat. Murat wie DJ Murat and friends. Unter diesem Namen haben Mirco und ich vor Jahren zusammen Musik aufgelegt. Der DJ des Bierbrunnen gratuliert zwar allen Geburtstagskindern und spielt „Happy Birthday.,“ nennt aber nicht Murat‘s Namen.
Gute DJ‘s sind halt echt schwer zu finden. Trotz dieser Erkenntnis, wird es kein Comeback von „DJ Murat and friends“ geben.
Heute besteht der Reisebericht aus -zumindest von mir- unkommentierten Bildern. Diese sprechen nämlich für sich und geben den Verlauf des zweiten Teils unseres Mallorca-Kurz Trips ganz gut wieder.
Aus Fünf, die sich nach Polen aufmachten um der deutschen Geschichte einen Besuch abzustatten, sind aus gesundheitlichen Gründen nur vier geworden. Stefan fällt aus. Gute Besserung auch an dieser Stelle. Somit steigen „nur“ Pascal, Olli, Rouven und ich in den Airbus von Eurowings, der uns nach Krakau bringen wird.
Die Geschichte des Fluges trägt den Titel: „Achterbahn, Juhu“ Das ist nämlich der vor Begeisterung ausgestoßene Kommentar von dem kleinen Jungen, der einige Reihen vor uns sitzt. Die Begeisterung des Jungen auf die heftigen Turbulenzen (inklusive ausgewachsenen Luftloch) bei der Landung teilen wir vier eher nicht und sind froh sicher auf polnischem Boden angekommen zu sein.
Nachdem wir unseren Leihwagen (ein Kia) übernommen haben, entscheiden wir uns der Roadtrip-Tradition folgend, bei McDonalds eine Pause zu machen.
Warum diese Tour in die Kategorie „Roadtrip“ fällt, obwohl wir die größte Entfernung mit dem Flugzeug zurücklegen, hat rein praktische Gründe. Ich hatte keine Lust eine neue Kategorie einzubauen.
Wir fahren also den nächsten McDonalds an, den uns Google Maps anbietet. An der kurz vorher auftauchenden Maut-Station bezahlen wir 16 Zloty, was gar nicht so einfach ist. Das Kartenterminal ist zu weit weg und um die Kreditkarte daran zu halten. Näher ranfahren kann man aber auch nicht, da ansonsten der Kia Schaden nimmt. Die Maut-Station Mitarbeiterin löst das Problem, in dem sie meine Karte nimmt und für die Bezahlung sorgt. Anschließend wünscht sie uns im perfekten Englisch einen schönen Tag. Pascal antwortet darauf im perfekten Französisch mit „Merci.“ Zu seiner Verteidigung sei gesagt, dass die letzten Maut-Stationen, die wir zusammen angefahren sind, tatsächlich in Frankreich lagen.
Das wir dann einen dreizig Kilometer langen Umweg fahren, um dann an derselben Maut-Station nochmal zu bezahlen und dann auf dem Weg zum Hotel an einem anderen deutlich günstiger gelegenen McDonalds vorbeizukommen, gehört in die Kategorie „Hätte man drauf kommen können.“
Anschließend bummeln wir durch die wirklich sehenswerte Altstadt, Essen in einem polnischen Restaurant gegenüber dem deutschen Konsulat und trinken leckere Cocktails in der „Piano Bar.“
Der Grund unserer Reise ist die Besichtigung des Konzentrationslagers Auschwitz.
Da unsere gebuchte Tour aber kurzfristig auf 13:30 Uhr verschoben wurde, nutzen wir den Vormittag um das Museum in der ehemaligen Fabrik von Oskar Schindler zu besuchen. Das Museum ist beeindruckend, auch wenn es gar nicht hauptsächlich um die Fabrik geht.
Dann fahren wir nach Oswiecim. So heißt der uns als Auschwitz bekannte Ort in Polen.
Der Wahnsinn der hier stattgefunden hat lässt sich kaum in Worte fassen. Ich habe lange mit mir gerungen, ob ich überhaupt einen Reiseblog hierzu schreiben soll. Schließlich soll der Reiseblog Spaß machen und den Leserinnen und Lesern zumindest ein Schmunzeln entlocken. Das wird heute nicht gelingen und ist heute auch nicht beabsichtigt.
Ich wusste was mich erwartet. Dachte ich zumindest. Schließlich war ich schon in Bergen-Belsen und in Buchenwald. Trotz dieser Erfahrungswerte ist Auschwitz damit überhaupt nicht vergleichbar und hilft als Vorbereitung auf den heutigen Besuch nur bedingt.
In Bergen-Belsen und auch in Buchenwald sind nur einige wenige Original Bauten vorhanden. Das meiste muss man sich vorstellen. Dinge, Gebäude und Taten die man sich aber im Grunde nicht vorstellen kann und auch nicht will.
In Auschwitz sind viele Original Bauten und Einrichtungsgegenstände erhalten. Das macht es nicht einfacher. Ausgestellte Schuhe, Koffer und gesammelte Haare von echten Opfern lassen eine Verharmlosung des Verstandes (als Selbstschutzmechanismus) nicht zu.
Die perfide auf maximale Effizienz optimierte Methode möglichst viele Menschen in möglichst kurzer Zeit zu ermorden, erschüttert mich. Über eine Million Menschen sind allein in Auschwitz ermordet worden.
Auch der unfassbar geringe Wissensstand der anderen Teilnehmenden unserer Gruppe (der aus den gestellten Fragen erkennbar wird) ist beängstigend.
Fassungslosigkeit wechseln sich bei mir mit tiefer Traurigkeit und Wut ab. Das es in Deutschland wieder eine relevante Gruppe von Menschen gibt, die eine Partei wählen, die die Verbrechen der Nazis leugnen oder verharmlosen macht mich einfach nur wütend.
Dann bringt uns unser Guide nach Birkenau. Das berühmte Eingangstor des Vernichtungslager Birkenau lässt mich erneut erschauern.
In einer Baracke haben 500-600 Menschen „gelebt.“ Das übersteigt meine Aufnahmefähigkeit.
Jeder von uns vier ist nach dem Besuch fertigt. Jeder von uns hatte Tränen in den Augen.
Überfordert fahren wir zurück zum Hotel. An der Einfahrt zum Hotel eigenen Parkplatz vergesse ich meine Zimmernummer und gebe eine Nummer an, zu der es kein passendes Zimmer gibt. Die verwirrte Rückfrage des Hotel-Mitarbeiters erheitert die Reisegruppe. Die Spannung löst sich und wir lachen herzhaft über meinen Aussetzer.
Da wir gestern getreu dem Motto „Kein Alkohol ist auch keine Lösung“ noch bei dem einen oder anderen Cocktail in der Piano Bar die Eindrücke des gestrigen Tages versucht haben zu verarbeiten, komme ich spät ins Bett. Auch das Blog schreiben, was mir gestern ungewohnt schwer gefallen ist, hat die Nachtruhe weiter verschoben.
Ich werde mit einem Knall wach. Die Menschen im Zimmer neben mir haben die Zimmertüre ungebremst ins Schloss fallen lassen. Mein Ärger ist schnell verflogen und weicht einem Schmunzeln. Wenn ich mir mit Stefan die Kabine auf einer Kreuzfahrt teile, besteht er immer drauf selbst dafür zu sorgen, dass die Kabinentür eben nicht ungebremst ins Schloss fällt. Ich habe mich schon mehrfach darüber lustig gemacht und bekomme heute die Quittung dafür.
Der Stefanismus hat mich also heute eingeholt und das obwohl Stefan ja diesmal gar nicht dabei ist.
Obwohl Stefan auch bei den anderen scheinbar allgegenwärtig ist.
Den Vormittag nutzen wir für Krakau Sightseeing Teil zwei. Wir besuchen Schloss Wawel mit einem sehr schönen Blick auf die Weichsel.
Und da es hier echt viele Kirchen gibt, machen wir eine Ausnahme von der für Stefan eingeführten Kreuzfahrt-Regel „Eine Kirche pro Hafen.“
Damit geht eine an Reizüberflutung grenzende Wochenend-Tour zu Ende. Vielen Dank an Olli, Pascal und Rouven. Ohne Euch hätte ich den Trip nicht gemacht. Grüße an Stefan und Katja. Ihr ward bei uns, ohne dabei zu sein.