Von Kingshouse to Kinlochleven (14,5 km). Oder: Gedanken aus des Teufels Treppenhaus

Von Kingshouse to Kinlochleven (14,5 km). Oder: Gedanken aus des Teufels Treppenhaus

Heute schreibt Sascha:

Die Nacht war zu Ende, bevor sie richtig angefangen hatte. Kurz vor Mitternacht, wir waren gerade in die erste Tiefschlafphase eingetreten, ging im Bunkhouse der Feueralarm los. Fehlalarm, wie sich nach zwanzig Minuten in der Kälte herausstellte. Wieder einzuschlafen, hat dann ein bisschen gedauert.

Dafür begann der Tag mit einem wolkenlosen Himmel und strahlendem Sonnenschein über dem Glencoe-Tal. Auf den ersten Metern der heutigen Etappe wird uns erst so richtig bewusst, wie traumhaft das Kingshouse Hotel liegt. Wer in Schottland unterwegs ist, hierher lohnt sich ein Abstecher.

Der Weg führt heute des Teufels Treppenhaus (Devil’s Staircase) empor. Ein anspruchsvoller Anstieg zu einem Pass ins nächste Tal mit dem Blackwater Reservoir.

Wenn wir zu dritt unterwegs sind, ist fast immer etwas los. Ein Stichwort reicht, und der eine erzählt einen – mehr oder weniger guten – Witz, der andere singt – mehr oder weniger schön – ein entsprechendes Lied und der dritte entwickelt aufs Stichwort Alternativen zum Wandern.

Ab und zu ist aber auch Zeit zum Nachdenken. Gestern auf der langen Etappe gab es reichlich davon. Meine Gedanken wurden von einem großen Stein am Fuße des Hügels angezogen. Das musste der Stein sein, den Sysyphos Tag für Tag den Hügel hinaufrollte und der dann abends immer wieder herrunterrollte, so dass das Ganze von vorne begann. Albert Camus hat anhand des Mythos von Sysyphos über das Absurde nachgedacht. Ich über das Wandern. Jeden Morgen die so leidlich wiederhergestellten Füße in die Wanderschuhe stecken, den Rucksack schultern und sich auf den Weg machen. Nach 20 Kilometern das Ende herbeisehnen, nach 25 Kilometern die Zähne zusammenbeißen, erschöpft ankommen, duschen, Klamotten waschen, essen, schlafen (wenn nicht der Feuerslarm losgeht). Und am nächsten Tag von vorne…

Von außen betrachtet kann das schon absurd erscheinen. Von innen betrachtet – jedenfalls für mich – ist das heilsam. In den vergangenen Tagen auf dem West Highland Way ging es mir so gut wie schon lange nicht mehr. Die körperliche Anstrengung, die Achtsamkeit für den Weg, der gerade jetzt unter mir liegt, keine Aufgaben und keine Pläne zu haben, außer den nächsten Schritt. Mir tut das unheimlich gut. Camus schreibt:

Der Kampf gegen Gipfel vermag ein Menschenherz ausfüllen. Wir müssen uns Sysyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen.

Albert Camus: Der Mythos des Sisyphos: Ein Versuch über das Absurde

Den Wanderer muss man sich in jedem Fall als glücklichen Menschen vorstellen.

Dudelsack, Sightseeing und Schottland an sich

Dudelsack, Sightseeing und Schottland an sich

Mit „Teufels Treppenhaus“ (siehe Reisebericht von gestern) habe ich das Wandern eingestellt. Während Sascha und Christian sich aufmachen die letzte Etappe in Angriff zu nehmen- habe ich Zeit. Zeit sich das Städtchen Kinlochleven mal genauer anzusehen.

Das Motorrad Fest geht heute scheinbar weiter. Auch gestern sind uns -öfter als uns lieb war- Motorradfahrer entgegen gekommen, die die Berge hier rauf und runter fahren. Im Rahmen dieses Events bekomme ich eine Vorführung eines Dudelsack Orchesters (nennt man das bei einer Gruppe von Dudelsackspielern auch so?) geboten. Auch dafür habe ich heute Zeit.

Dann fahre ich mit dem Bus nach Fort William. Amelie hat schon am Abend der Kingshouse Etappe ganz aufgegeben und ist zurück nach Glasgow. Somit fahre ich allein. Trotzdem bin ich nicht der einzige Wanderer, der heute Bus fährt. Die vielen Rucksäcke mit Stöcken liefern den Beweis.

Corona gibt es hier übrigens nicht- könnte man meinen. Es gibt zwar einige Hinweistafeln mit Schutzmaßnahmen. Aber es hält sich niemand daran. Nirgendwo-auch nicht im Bus. Niemand trägt eine Maske. Niemand hält Abstand. Das hat mich am Anfang irritiert. Zugegebener Weise gewöhnt man sich aber schnell wieder an Menschen ohne Maske.

In Fort William angekommen, mache ich eine Sightseeingtour durch den Ort. Auch hier gibt es wirklich interessante Ecken zu entdecken.

Schottland an sich ist wirklich toll. Die Landschaft ist das Highlight. Klar. Aber auch die Menschen hier sorgen dafür, dass man sich hier wohl fühlt. Auch wenn man sie selten -wegen des schottischen Akzents- beim ersten Mal versteht.

Die Schotten sind sehr freundlich. Jeder schenkt uns ein Lächeln. Jeder, den man auf der Straße trifft, grüßt. Das ist wirklich auffällig. Das geht soweit, dass auch Motorradfahrer, die gerade todesmutig einen Berg auf einer Schotterpiste herunterfahren sich trotzdem noch die Zeit nehmen eine Hand zu heben um zu grüßen (ehrlich gesagt keine gute Idee während man einen Berg runterfährt).

Jetzt begnügt sich der Schotte allerdings beim grüßen nicht nur auf die Nennung der Tageszeit („Good Morning“) sondern fragt zusätzlich danach wie es einem den so geht. Das hat mich irritiert. Wenn die Frage ernst gemeint wäre, müsste ich ja auch antworten. Also z.B.: „Gut, dass sie fragen. Wissen Sie, ich bin hier zum wandern auf dem West Highland Way. Da taten mir die Füße echt weh und dann bin ich Taxi gefahren. Ach, und der Krieg in der Ukraine beschäftigt mich auch und macht mir Sorgen.“ Erscheint mir aber zu lang, wenn ich das jedem auf der Straße antworten würde. Alle anderen Schotten antworten kurz („Thank you. I am fine“ – also: „ Danke mir geht‘s gut). Das kann somit nur bedeuten, dass es allen Schotten gut geht, oder dass nicht alle ehrlich antworten. Ich schließe mich dieser Verfahrensweise an.

Bisher hatten wir Super-Wetter! Keinen Regen. Für Schottland überdurchschnittlich oft Sonne und keine zu kalten Temperaturen für Ende April. Bis jetzt. Mittlerweile regnet es hier in Fort William in Strömen. Echtes Schottlandwetter zum Schluss. Ich leide mit den beiden Aktiv Wanderern! Ich sitze jetzt in einem skurrilen Café und warte.

Von Kinlochleven nach Fort William (25 km). Oder: Angekommen und Unterkunftscheck

Von Kinlochleven nach Fort William (25 km). Oder: Angekommen und Unterkunftscheck

Sascha schreibt für die Aktiv Wanderer:

Den Start in die letzte Etappe hatten wir früh angesetzt. Nicht nur deshalb, weil noch einmal 25 km auf dem Programm standen, sondern vor allem, weil für heute Regen angesagt war. Wir haben doch tatsächlich bisher keinen Regen und für schottische Verhältnisse sehr viel Sonnenschein gehabt. Heute sollten wir den schottischen Regen kennenlernen und die Chance bekommen auch die Regenausrüstung einem Praxischeck zu unterziehen.

Die letzte Etappe hat mir landschaftlich von allen am besten gefallen. Es ging durch mehrere weite Täler, die alle einen anderen Charakter haben. Dazu die Berge, allen voran Ben Nevis mit 1345 Metern.

Ein Stück der Strecke sind Christian und ich (Jens hat sich für den Bus entschieden) mit den zwei Frauen aus München gegangen. Geschichten und Erlebnisse von Fernwanderungen waren schnell das Thema. So kommt man zu neuen Ideen, Plänen und Zielen. Hier soll es aber um diese Tour gehen. Wir haben uns einen kleinen Unterkunftscheck vorgenommen. Los geht‘s!

The Clachan: Tolle Zimmer und modernes Bad im ältesten Pub Schottlands. Essen und Getränke waren klasse. Frühstück gibt es leider nicht, aber es gibt ein tolles Frühstückscafé ganz in der Nähe. Fünf von fünf Sterne für die Unterkunft.

Youthhostel Rowardennen: Lage und äußeres Bild sind ein Traum. Drinnen ist es deutlich anders. Die Ausstattung ist so ziemlich durch, die Duschen sind eine Zumutung. Das Abendessen war gut, das Frühstück indiskutabel. Dazu stimmt das Preis-Leistungsverhälnis überhaupt nicht. Zwei von fünf Sternen.

Drovers Inn: Auch einer der ältesten Pubs des Landes. Das wird hier zum Programm erhoben. Alles scheint aus der Gründungszeit zu stammen. Das Bett knarzt, der Teppich lebt. Ausnahme ist das Bad, das offensichtlich renoviert wurde. Dafür müssen alle Gäste sich dieses eine Bad teilen. Der Pub ist auch total urig. Das Essen, die Getränke und auch das Frühstück sind klasse. Wer etwas echt authentisches sucht, ist hier genau richtig. Dreieinhalb von fünf Sternen.

Tyndrum Lodges: Ziemlich neue Lodges, modern, praktisch und schön eingerichtet mit Hotelkomfort. Einzig das Frühstück muss zu Abzügen führen: Eingeschweißte Croissants und löslicher Kaffee. Vier von fünf Sternen.

Kingshouse Hotel / Bunkhouse: Die Lage ist traumhaft. Es gibt sehr kleine, karge Räume mit roh gezimmerten Etagenbetten. Die Duschanlagen sind grundsätzlich gut, aber die Sauberkeit lässt sehr zu wünschen übrig. Gut ist die Möglichkeit, das Frühstück upzugraden und im Hotel ein Full Scottisch Breakfast zu bekommen. Der nächtliche Feueralarm war ein besonderes Erlebnis, wird hier aber natürlich nicht berücksichtigt. Drei von fünf Sternen.

Blackwater Hostel: Auch hier war das Zimmer sehr klein, alles mit Holz vertäfelt, aber super sauber. Wir hatten ein eigenes Bad auf dem Zimmer. Es gibt kein Frühstück, aber die Gemeinschaftsküche ist perfekt ausgestattet und sauber. Hier stimmt das Preis-Leistungs-Verhältnis. Dreieinhalb von fünf Sternen.

So weit unser Check. Zurück zum Weg. Denn heute sind wir angekommen. Am Ortseingang endet der West Highland Way traditionell, heute führt er noch durch die Einkaufsstraße mit den vielen Souvenirläden. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

An der Statur „Sore Feet“ treffen wir Jens und machen im Regen die obligatorischen Fotos. Dann geht es zum Duschen und Umziehen ins Hotel. Ein letzter Abend in Schottland wartet auf uns.

Weite, Wind und Whisky. Ein Rückblick aus drei Perspektiven

Weite, Wind und Whisky. Ein Rückblick aus drei Perspektiven

Die Überschrift ist nicht ganz eindeutig. Der Rückblick hat nicht Weite, Wind und Whisky als Perspektiven (obwohl das auch eine Idee wäre). Hier gibt es um den persönlichen Rückblick der drei Gefährten. Dazu gibt es das jeweilige Lieblingsfoto von unterwegs.

Den Anfang macht Christian: Was lange währt wird endlich gut…

Lieblingsfoto von Christian

Nachdem ich die letzten drei Jahre, glaube ich, so ziemlich jedem in meinem Umfeld mit meinen Planungen für dem West Highland Way auf die Nerven gegangen bin (Ich entschuldige mich bei denen die es nicht mehr hören konnten), war es nun endlich soweit. Eine Woche mit Sascha und Jens zu Fuß durch die Highlands. Das bereits auf dem Moselsteig eingespielte Team hat wieder gut funktioniert. Danke Jungs für die tolle Tour!

Wie bereits in den vorherigen Berichten erwähnt, hatte ich mich im Vorfeld etwas auf die Tour vorbereitet und war sie in Gedanken schon zigmal durchgegangen. Aber dann wirklich auf dem Weg zu sein ist nochmal was ganz anderes.

Zu Fuß, nur mit dem Nötigsten im Rucksack (auch wenn Sascha und Jens das Nötigste etwas anders definieren) zu wandern und die wirklich phantastische Landschaft zu genießen, das hilft mal den Kopf freizubekommen und das Hier und Jetzt bewusst zu erleben.

Wobei wir wirklich großes Glück mit dem Wetter hatten! Wer kann schon von sich behaupten, acht Tage in Schottland gewesen zu sein und von diesen hat es nur an einem geregnet? Vielleicht war das der Ausgleich für die lange Wartezeit.

Was lange währt, war wirklich gut!

Hier kommt mein Rückblick: I did it my way

Mein Lieblingsfoto

Habe ich mir ein T-Shirt mit der Aufschrift „Ich bin den West Highland Way gelaufen – 154 km“ gekauft? Nein, habe ich nicht. Bin ich ja auch nicht gelaufen. Also nicht alle 154 km. Ich habe einzelne Etappen ausgelassen und manche verkürzt.

Trotzdem waren es in der Woche über 200.000 Schritte. Mein persönliches Wochenziel (das ich lange nicht immer erreiche) liegt übrigens bei 50.000. Ich habe das Projekt „West Highland Way“ auf meine Art gemacht. Ich habe dabei versucht, das durch meine Füße verursachte Leiden in ertragbaren Ausmaßen zu halten und gleichzeitig so viele Eindrücke von Schottland zu sammeln wie möglich. Darüberhinaus wollte ich den Gefährten so wenig wie möglich zur Last fallen.

Ich finde das ist sehr ordentlich gelungen. Deshalb bin ich glücklich mitgefahren zu sein (Das war ja für mich lange unklar, siehe erster Reisebericht dieser Tour).

Schottland ist toll und durchaus eine Reise wert. Die Landschaft ist das Highlight. Klar. Aber auch die Städte haben ihren eigenen Reiz und die Menschen hier einen speziellen, liebenswerten Charme. Der Wanderer an sich mag das anderes sehen, aber ich finde auch mit weniger (oder gar keinem) Wandern lohnt sich eine Reise nach Schottland!

Dann noch Saschas Rückblick: Weite, Wind und Whisky

Im ersten Eintrag hatte ich es schon formuliert: Weite, Wind und Whisky sind genau das, was ich brauchte.

Weite gab es wahrlich viel, Wind zum Glück nur wenig und der Whisky war ein ungeahntes Geschmackserlebnis. Der Westhighland Way ist nicht umsonst ein sehr beliebter Fernwanderweg. Die Landschaft ist so ganz anders als alles, was ich bis jetzt gesehen habe. Weit und rauh und atemberaubend schön.

Nach zwei Jahren wieder unterwegs zu sein, hat mir unheimlich gut getan. Jens und Christian waren genau die richtigen Gefährten auf dem Weg. Wir hatten eine Menge Spaß. Bleibt nur noch die Frage, wo es das nächste Mal hingeht…

Zum Schluss noch eine kleine Sammlung skurriler Fotos vom West Highland Way.